Die Entwicklung des 12cm Fest Mw 59

1948

Zu Beginn des kalten Krieges wird klar, dass zur Unterstützung des Verteidigungsdispositives des Zentral- und Grenzraumes, eine taktische Unterstützungswaffe entwickelt werden muss.

Folgende Anforderungen werden daran gestellt:

  • 12cm Minenwerfergranaten
  • Schusskadenz 12 Schuss/Minute
  • Rundumfeuer möglich
  • Steilschusswaffe unter Panzerkuppel

1949 – 50

Die Kriegstechnische Abteilung KTA beauftragt die SIG Neuhausen, eine Lösung für dieses Problem zu suchen.
Die Verwirklichung eines Projekts erfolgt in Zusammenarbeit mit der Abteilung für Genie und Festungswesen AGF.
Es kommt zum Auftrag zwischen KTA Bern mit der SIG Neuhausen für die Entwicklung und Konstruktion eines 12cm Mehrfachwerfers.

1950

Im Januar und September finden erste Schiessversuche in Thun statt. Im November dann auf der Aiguille in Dailly. Es handelt sich um einen Mehrrohrwerfer (6 Rohre) als Vorderlader. Diese Versuche, unter der Leitung der Sektion für Schiessversuche S+S, verlaufen aber nicht erfolgreich.

  • Ldg 1/2 Luftdruck im Drehraum sehr unangenehm
  • Ldg 3 Bodenbretter im Laderaum werden aufgeworfen und verschoben.
  • Ldg 4/5 konnte nicht mehr verschossen werden:
    • 1. Schuss geht beim Aufschlagen im Rohr nicht ab.
    • 2. Schuss geht ab, Steuerbolzen geht nicht mehr zurück. Schutzrahmen “Kübel” geht nicht mehr nach unten Rohre werden zum Laden nicht mehr frei.

Nach dem achten Schuss verhindern die Mängel ein Weiterschiessen. Der Minenwerfer wird demontiert und geht zur Weiterentwicklung zurück zur Firma SIG.

SIG Mehrfachwerfer
SIG Mehrfachwerfer
SIG Mehrfachwerfer

1952

Der Generalstabschef erteilt das Einverständnis zur Beschaffung von:

6 Stück 12 Fest Mw

  • 3 Werfer für St. Maurice > 1 Dailly, 2 Savatan
  • 3 Werder Festung Gotthard > 1 Foppa Grande, 2 Bätzberg

Interessant ist, das obschon die Abteilung für Genie und Festung AGF im Mai 1948 vorgeschlagen hatte, den Minenwerfer von unten zu laden und einen einfacheren Verschluss zu konstruieren.

Die SIG weiterhin an einem Vorderlader festhält und diesen weiterentwickelt. Dies kostet unnötig viel Zeit und Geld

„Da dieser Mw von unten geladen werden müsste, wäre die Konstruktion eines einfachen Verschlusses notwendig, der jedoch ein rasches Laden ermöglicht. Dieses System hätte den Vorteil einer kleineren Verletzbarkeit des Werkes und würde zudem der Bedienungsmanschaft wirkungsvolleren Schutz bieten „

* * *

Nach Genehmigung des Generalstabschef, schliesst die KTA Bern mit der SIG Neuhausen einen Vertrag über sechs 12cm Fest Mw ab.

Merkmale

2 Stöckige, unterirdische Waffenstellung.
– Unten: Richtraum mit Handrädern für S+H, Munitionslaborerieraum.
– Oben: Bündel aus 6 Schussrohren12cm Feld Mw41 Rohren,
– Elevation = Richtbogen
– Azimut = Drehplattform, rundum drehbar
– Abzugsvorrichtung pro Schussrohr
– Salve a 6 Schuss innerhalb 0.5sec.
– hydraulische Rücklaufbremse an jedem Zündkopf
– 3 elektrische Aufzüge mit Zahnstangenantrieb, 1 Lift pro Seite für die Lader, 1 Lift in der Mitte für 6 Geschosse
Das Laden erfolgt von oben (Vorderlader) durch eine hydraulisch-, automatische Ladevorrichtung, alle 6 Schuss gemeinsam.
Nach dem Laden gehen die beiden Bedienleute in den Richtraum zurück.
Diese sind für die Standpunkte Dailly (ein Geschütz), Savatan (zwei Geschütze), Foppa (ein Geschütz) und Bäzberg (zwei Geschütze) bestimmt.

1955

Für die Verbesserungen am Werfer braucht SIG fünf Jahre. Am 29. August 1955 erfolgt wieder ein Schiessen in Dailly, mit Einzelschüssen und Salven. Dabei gehen einzelne Rohre nicht mehr in die Ausgangslage zurück. Das Hydrauliksystem platzt, sämtliches Öl läuft aus. Das Öl fängt sofort Feuer und löst Panik unter den Zuschauern aus.

Im Oktober wird der Werfer in Dailly dem Gst, der AGF und der KTA vorgeführt. Bemängelt werden folgende Kriterien:

  • In den engen Personenaufzügen für die Lader können sich nur sehr schlanke Männer aufhalten. Das Auf- und Abfahren ist sehr umständlich. Das Richten über Handräder ist mühsam. Zu viele und komplizierte Manipulationen müssen bis zur Auslösung einer Salve ausgeführt werden. Statt 18 Schuss/Minute werden nur 12 Schuss/Minute erreicht. Ausserdem ist kein Gasschutz vorhanden.

Zitat Hans Boss, ehemaliger Mitarbeiter SIG

„Die bedien Personenaufzüge waren so eng, dass nur äusserst schlanke Kanoniere dazu geeignet waren und entpuppten sich auch als Falle. Einmal blieb ein Festungswächter darin stecken. Er wurde erst nach einiger Zeit entdeckt und konnte nur mit aufwändiger Demontagearbeiten aus seiner misslichen Lage befreit werden“

Im November bittet Oberstdivisionär Rathgeb, Waffenchef der AGF, die KTA umgehend um eine funktionssichere Lösung.

Folgende Anforderungen werden gestellt:

  • Der Mehrfachwerfer als Vorderlader soll aufgegeben werden.
  • Hinterlader, mit pneumatisch verschliessbarem Verschluss und elektrischer Zündstiftbetätigung.
  • Die Rohre sollten mit CO2 gespült werden können.
  • Im Notfall sollte auch ein Handbetrieb möglich sein.
  • Die Rohre müssen eingefahren werden können.
  • Die Rohrmündungen müssen 15cm über die Panzerungen vorstehen.
  • Für einen 3- Rohrwerfer sollten vier Salven pro Minute möglich sein.

1956

Die SIG mach unbeirrbar weiter. Der für Foppa Grande (2. Prototyp) vorgesehene Werfer, wird in Thun montiert. Seitens der Armee wird trotzdem eine neue Lösung mit einem anderen Betrieb gesucht.

Versuchsanlage 30.09.1956 in Thun

Die im Geschützbau angesehene K+W Thun ist mit der Entwicklung des neuen Kampfpanzers ausgelastet. Demzufolge wird die Waffenfabrik Bern W+F mit der Weiterentwicklung beauftragt.

SIG Mehrfachwerfer

SIG Mehrfachwerfer

SIG Mehrfachwerfer

SIG Mehrfachwerfer

Eine Anlage des SIG Prototypen in Dailly ist vollständig montiert, aber nicht Truppentauglich. Schussrohre, Richtmittel, Hydraulik, elektrische Aufzüge und Panzerdeckel für weitere fünf Mehrfachwerfer SIG (auch Foppa Grande) sind bei der AGF eingelagert.

5 Fest Mw Bunker sind fertig betoniert oder in Arbeit, inkl. Laufringe und Drehplattformen. Die W+F arbeitet ein Projekt aus und startet die Weiterentwicklung. Im Auswahlverfahren werden 6, 4, 3- und 2 Rohrwerfer geprüft. Der Zwillingswerfer gewinnt den Test. Es wird sofort mit dem Bau einer Versuchsanlage begonnen.

1957

In Thun erfolgen im Sommer erste Funktionstests mit einem automatischen Verschluss.

1958

Obwohl die W+F schon ab 1956 mit der Entwicklung eines verbesserten Werfers begonnen hat, versucht SIG ihren Prototypen den Forderungen der KTA anzupassen. Im Mai wird, nach neun Jahren, das Projekt des Mehrfachwerfers mit seinen zu schwachen Rohren des Modells 41 der SIG, durch das KTA endgültig abgebrochen.

Auf einer Flap-Lafette mit einem Rohr, erprobt und optimiert die W+F den Werfer, mit automatischem Verschluss und höherer Schusskadenz.

Einrohr Schiessanlage der W+F mit Automatverschluss und höherer Schussleistung 1958 in Erprobung.

Oberstdivisionär Rathgeb gibt sich unter folgenden Bedingungen für die Entwicklung eines Zwillingswerfers (anstatt 4 Rohre) einverstanden: pro Rohr min. 8 Schuss/Min. Reichweite bis 8km

Das ist die Geburtsstunde des 12cm Fest Mw 59!

Ein Prototyp mit zwei Rohren wird für Dailly in Auftrag gegeben.

14.02.57 12 cm Fest Mw-Rohr W+F: 1. Beschuss des neuen verstärkten Mw-Rohres
27.06.57 Vorführung vor dem Waffenchef G+F und dem Chef KTA
19.12.57 Schiessversuch mit neuem Verschluss
17.04.58 Schiessversuch mit neuem Verschluss
08.10.57 Vorführschiessen vor Festungskommission mit Einrohr-Werfer
30.04.59 Versuch mit zwei Rohren auf Zwillingslafette
20.08.59 Letzter Beschuss in Thun
10.11.59 Erster Beschuss in Dailly mit 26 Schuss
16.11.59 Vorführschiessen vor Befestigungskommission mit 1 Minute Schnellfeuer
20.04.60 Offizielles Anschiessen und Abnahme Geschütz Nr. 1 mit Rohr 1 + 2 in Dailly;
14 Schuss gegen Glacier des Martinets; normaler Verlauf ohne Störung194
09.09.60 Demonstrationsschiessen mit 24 Schuss in 84 Sekunden

Montage Fest Mw 59 Foppa Grande Winter 1960-61

Richtraum 12cm Fest Mw 59, Foppa Grande mit Richtantrieb der ersten Generation.

1961 – 1963

Die restlichen 5 Fest Mw Typ I werden zwischen 1961 und 1963 montiert und an die Truppen übergeben. Ein Nachteil des Typ I ist, dass er den Dimensionen der SIG Geschützstellung angepasst werden musste.

Ausbildung Waffenmechaniker, Thun

Bautypen

Typ Baujahr Anz Bauart, Konfiguration
A 67 – 71    3 Felsenwerk
B 63 – 70  10 Monoblock, 8- eckiger Grundriss mit angebauten Mun Mag, Einstieg über Treppe mit oder ohne Tarnhaus
C 70 – 75    3 Monoblock, 2- stöckig, Einstieg über Treppe mit Tarnhaus
D 72 – 84  18 Monoblock, 1- stöckig, grosser Grundriss, Einstieg über Treppe mit oder ohne Tarnhaus
E 82 – 87  17 Monoblock, 1- stöckig, mittlerer Grundriss, Einstieg über Treppe mit Tarnhaus, Schutzplatte z. T. nur Beton (Typ 81)
F 85 – 01  62 Monoblock, 1- stöckig, kleiner Grundriss, Einstieg und Notausgang horizontal, Schutzplatte aus Naturstein und Beton (Typ 85)

(ohne die 6 Fest Mw aus der Serie 1, welche in den Jahren 1959 – 1963 erstellt und 1995 ausser Dienst gestellt wurden)

Bau des Typ F

Irgendwo in der Schweiz

Bau des Typ F

Montage 12cm Fest Mw

22.06.2011

Die letzten Schüsse werden im Raum Andermatt, zusammen mit dem Bison Geschütz, abgegeben…

Das Parlament hat mit der Verabschiedung der Armeebotschaft 2018 auch die Ausserdienststellung der 12cm Festungsminenwerfer und der 15.5cm Bison beschlossen.

Das Ende der Festungsartilerie

Letzte Schüsse der Festungsartillerie

Ein kurzer Bericht über das letzte Schiessen des 15,5cm BISON und des 12cm Zwillingsfestungsminenwerfers.

Quelle & Bilder:

armasuisse foppa grande, RUAG, FWK, Oswald Schwitter, Markus Diethelm